Schule, Bibliothek und Scriptorium am Hildesheimer Dom um 1000

Godehard fand demnach bei seinem Amtsantritt in Hildesheim beste Bedingungen vor, die ein Bischof von der Infrastruktur seiner neuen Kathedra erwarten konnte. Die Herausbildung einer Domschule beinhaltete grundsätzlich mehr als eine Ausbildungseinrichtung im engen Sinn. Vielmehr war sie nur ein, wenn auch integraler Bestandteil seiner – wir würden heute sagen – Verwaltung, die nicht immer trennscharf verschiedene Abteilungen zugeordnet werden könnten. Diese ‚Schriftgutabteilung‘ benötigte der Bischof, um seine Funktionen zu erfüllen.

Dazu gehörte die Schreibstube, also das Scriptorium, wo Manuskripte buchstäblich „von Hand geschrieben“, also Texte zu Pergament gebracht wurden; des Weitereren eine Bibliothek mit den notwendigen Wissensressourcen, vielleicht in Kombination mit einem Archivraum, der aktuelles und historisches Verwaltungsschriftgut sicherte; dort befanden sich wohl auch die wichtigsten Gebrauchstexte der bischöflichen Amtsausübung; sie umfassten pastorale Handbücher für die Visitation, chronikalische Aufzeichnungen, kirchenrechtliche Texte für Synoden, Briefformulare, Urkunden- bzw. Kopialbücher, die den Besitzstand sicherten u.ä. Die für die Nutzung während der Gottesdienste vorgesehenen liturgischen Bücher befanden sich in der Regel in der Sakristei; dort waren sie griffbereit und wurden zum Teil auch eigens gesichert, wenn es sich denn um besonders wertvolle Ausgaben handelte.

Für Hildesheim kann für die Zeit Bernwards und Godehards von einer entsprechend gut ausgestatteten Schriftgutverwaltung ausgegangen werden, auch wenn nur noch wenige Codizes aus dieser Zeit überliefert sind. Dazu gehört beispielsweise eine heute in Wolfenbüttel aufbewahrte Handschrift (Cod. Guelf. Helmst. 32).

Aufgrund ihrer Provenienz wie auch ihrer Textselektion bzw. Textkomposition handelt es sich bei dieser kanonistischen Sammlung sehr wahrscheinlich um ein zeitgenössisches Arbeitsinstrument Bischof Godehards. Der Bischof dürfte die einschlägige Auswahl auf Synoden mitgeführt haben, um u.a. im Streit mit dem Erzbischof von Mainz um das Stift Gandersheim die Hildesheimer Position vorzutragen.