Schreibwerkstatt

Neben der Bibliothek bildete die Schreibwerkstatt eines Klosters, also der Ort, wo neue Bücher entstanden, einen essenziellen Ort der Bildung. Für die gesamte Zeit vor der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg 1454, und auch noch eine lange Zeit danach, war man davon abhängig, einen Text händisch zu vervielfältigen, wenn man ein weiteres Exemplar haben wollte. Denn auch wenn es gedruckte Bücher gab, waren nicht alle Texte überall jederzeit erhältlich. Teils wurden auch beispielsweise noch im 16. Jahrhundert aufwendig gestaltete Handschriften in Auftrag gegeben, weil das Buch ein reich verziertes Unikat sein sollte und der Kunde gar nicht an einem Massenprodukt interessiert war.

Handschriften und ihre Produktion hatten das ganze Mittelalter und auch noch eine lange Zeit danach einen festen Platz in der Gesellschaft, und somit auch im Kloster.

Klosterplan St. Gallen (Ausschnitt); Stiftsbibliothek Sankt Gallen: Codex Sangallensis 1092 recto

Schaut man, wie wir es auch bei der Frage nach dem Bibliotheksraum tun, auf den St. Galler Klosterplan, dem Ideal eines benediktinischen Klosters, findet sich im Nordosten direkt an den Kirchenbau anschließend das Skriptorium, also die Schreibwerkstatt, direkt unter der Bibliothek. 

Die Buchproduktion hatte also in der Idealvorstellung eines Klosters einen eigenen, großen und wichtigen Platz. Aber wie auch beim Bibliotheksraum finden sich Änderungen zwischen Idealplan und realer Umsetzung; so lässt sich im Fall des Klosters St. Godehard kein fester Raum ausfindig machen, der alleinig als Skriptorium diente.

Es ist vorstellbar, dass der Bibliotheksraum eine kombinierte Funktion erfüllte, die Mönche in ihren eigenen Zellen schrieben oder ein Abschnitt der Wohngebäude als Buchwerkstatt vorgesehen war, der bisher lediglich nicht als solcher identifiziert wurde.

Eine Werkstatt muss es jedoch gegeben haben, da sowohl Handschriften überliefert sind, die im Kloster St. Godehard geschrieben wurden, als auch welche, die dort ihren Einband bekommen haben.

Auch wenn sich der definitive Ort des Skriptoriums im Kloster St. Godehard nicht endgültig beantworten lässt, kommen wir nun zur Frage, wie eine solche Werkstatt eingerichtet sein sollte, um effektiv auch Bücher produzieren zu können. An der Fensterseite des Raumes oder Raumabschnittes  bietet es sich an, dass sich dort mehrere Tische mit Schreibpulten befinden, damit mehrere Mönche gleichzeitig schreiben und das Sonnenlicht nutzen können.

Die gleichzeitige Arbeit von mehreren Mönchen ist auch das richtige Stichwort, da in der Regel arbeitsteilig gearbeitet wurde.

Auch wenn es möglich war, dass ein Mönch nahezu jede Arbeit selbst durchführte - also sowohl die Papierbögen zuschnitt, die Tinte mischte, den Text schrieb und zum Schluss das Buch selbst band - muss man sich die Buchherstellung so vorstellen, dass die Arbeit durch mehrere Hände ging, je nach Fähigkeiten und Spezialisierung.

Der Schreibmeister organisierte die Arbeit, verwaltete die Materialien und führte Aufsicht. Die Schreibarbeit selbst wurde von einer Vielzahl der Mönche durchgeführt, aber je nach Aufgabe wurde das Schreiben denen zugeordnet, die eine besonders schöne Handschrift beherrschten.

Der Rubrikator ergänzte die (meist roten) Kapitelüberschriften und war für die einfacheren Markierungen im Text zuständig.

Der Illuminator fertigte die Buchmalereien an. Und im letzten Schritt ging das Buch an den Buchbinder, der die Lagen heftete und den Einband ergänzte.

Dieser Arbeitsschritt war manchmal so speziell und erforderte eine besondere Werkstatt, dass auch Klöster mit eigener Schreibwerkstatt die Bücher durch eigenständige Buchbinder fertigstellen ließen. Darauf deuten Bücher aus dem Bestand des Klosters St. Godehard hin, die in der Werkstatt der Brüder des gemeinsamen Lebens gebunden wurden.

Mehrere Materialien hierfür wurden wiederum eingekauft und nicht selbst hergestellt wie zum Beispiel die Metallbeschläge und Schließen. Es waren also auch Personen außerhalb des Klosters indirekt beteiligt.

Ghirlandaio, Domenico: Florenz, Ognissanti: Der Hl. Hieronymus im Gehäuse

Die Schreibpulte hatten in der Regel eine angeschrägte Schreibfläche, die ein ergonomisches Arbeiten ermöglichte.

Manche Pulte hatten zusätzlich eine zweite Etage, die eine steilere Fläche bietet, auf der die Textvorlage für ein bequemes Lesen abgelegt werden konnte.

An den Seiten des Pults konnten Tintenfässchen angebracht sein, kleine Gefäße mit Farben oder auch anderes Werkzeug wie Scheren, Messer oder Lineale.

Eben wie das Schreibpult, für das wir uns in unserer Rekonstruktion entschieden haben und das Sie in unserer Ausstellung sehen können.