ABC-Buch

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ABC-Buch

Druck; spätes 17. Jhd.

Die Geschichte der Fibeln oder ABC-Bücher, wie Fibeln für Erstleser auch genannt werden, reicht bis ins Mittelalter zurück. ABC-Bücher dienten damals nicht nur dem häuslichen Lesenlernen, sondern zugleich immer auch der religiösen Unterweisung.

Auf diesen beiden Leitlinien – Lesen und Religion – bauten im Prinzip alle ABC-Bücher der Vormoderne auf und eben daher besaßen sie einen sehr ähnlichen Aufbau, auch wenn sich durchaus konfessionelle Eigenheiten feststellen lassen: Zu Beginn stand in der Regel das Alphabet, worauf meist eine Auflistung von Silben folgte. Danach kamen kurze christliche Texte wie das Vaterunser, die Zehn Gebote und das Glaubensbekenntnis.

Das hier vorgestellte ABC-Buch besteht eigentlich aus drei zusammengebundenen Büchern, die allesamt im späten 17. Jahrhundert gedruckt wurden.

Wie ein Besitzstempel im Inneren des zusammengebundenen Buches ausweist, wurde das Exemplar zwischen 1827 und 1908 Eigentum der Pfarrbibliothek St. Godehard.

 

Auf dem Einbandspiegel steht eine französische Widmung. Laut ihr verschenkte ein Mann namens Pierre im Januar 1816 das Buch an „Charles Bögershausen“ aus Groß-Algermissen. Möglicherweise wurden die drei ABC-Bücher für diesen Anlass zusammengebunden. Bei dem hier genannten Carl (die deutsche Fassung von Charles) Bögershausen handelt es sich wahrscheinlich um einen Pfarrer, der 1828 geweiht wurde und daraufhin im Eichsfeld, Nordheim und Hildesheim tätig war.

Als die Widmung des ABC-Buches geschrieben wurde, war Carl Bögershausen gerade einmal 11 Jahre alt. Möglicherweise bekam er das Buch anlässlich seines Geburtstags. Zwei Jahre später ging er ans Gymnasium. Der Besitz des ABC-Buches mag ihm also bei der Vorbereitung auf das Gymnasium geholfen haben.

1853 wurde Carl Bögershausen Pfarrer am Heiligen Kreuz in Hildesheim. Ob das ABC-Buch von dort aus seinen Weg in die Pfarrbibliothek St. Godehard in Hildesheim fand, bleibt allerdings Spekulation

 

 

 

Die ersten zwei ABC-Bücher wurden in Würzburg durch Jacob Hertz gedruckt. Die erste Fibel umfasst dabei lateinische, christliche Texte wie das Vaterunser und es richtete sich an Kinder, die schon über elementare Lesefähigkeiten verfügten und nun Latein lernen wollten. In Schulen wie der Domschule Hildesheim wurde Latein ab der Unterstufe gelehrt, während der Schriftspracherwerb Inhalt der Elementarschulen war.

Danach folgt eine typische Hahnenfibel für Leseanfänger – deutlich erkennbar durch die einzige im Druckwerk befindlichen Illustration – ein auf einem Podest stehender, streng dreinschauender Hahn. Der Hahn symbolisiert das frühe Aufstehen und er steht damit für besonderen Fleiß.

Da sich die Abbildung auf der letzten Seite des Buches befindet, soll der Hahn wahrscheinlich als Ansporn dienen, um die Fibel schnell durchzuarbeite und „bis zum Hahn zu kommen“.

 

Das dritte ABC-Buch wurde 1675 vom Hofdrucker in Hannover, Wolfgang Schwendiman, gedruckt und es richtet sich laut dem Titel an junge Fürstinnen. Das Buch ist deutsch-französisch aufgebaut und es geht beim Erklären der Silben wesentlich kleinschrittiger vor als die beiden ersten Bücher, weswegen es sich somit eher an jüngere Kinder richtet. Außerdem wurde nicht nur mit schwarzer, sondern auch mit roter Tinte gedruckt und auf der zweiten Seite befindet sich ein kleines Jesusbild, was das ABC-Buch anschaulicher für Kinder macht.

 

Wie auch in der deutschen Fibel aus der Werkstatt von Jacob Hertz sind das Vaterunser, die zehn Gebote und weitere christliche Texte abgedruckt. Zur damaligen Zeit war es normal, dass Kinder, die das Privileg hatten, Lesen zu lernen, zuerst religiöse Texte lasen. Dies sollte sie auf komplexere Werke wie die Bibel und den Katechismus vorbereiten und es hatte zusätzlich den Vorteil, dass die Kinder mit Texten wie dem Vaterunser bereits vertraut waren und ihnen das Lesen dadurch leichter fiel.