Summa Theologiae

EB 15 & EB 16

Antoninus Florentinus: Summa theologica. Teil 2 und 1

Anton Koberger: Nürnberg, 1477

Die zwei Bände enthalten die ersten beiden Teile der insgesamt vierteiligen „Theologischen Summe“ des Antoninus Florentinus (1389-1459), Dominikaner, Erzbischof von Florenz und einer der produktivsten wie vielseitigsten Theologen seiner Zeit, der bereits wenige Jahre nach seinem Tod heiliggesprochen wurde (1523).

Als Antonius Pierozzi wurde er in die Familie eines Florentiner Notars geboren; wegen seiner geringen Körpergröße wurde er jedoch bekannt als „Kleiner Antonius“. Als Sechzehnjähriger trat er in den Dominikanerorden ein, absolvierte dort ein Theologie-Studium und wurde zum Priester geweiht. Dank seiner intellektuellen Fähigkeiten stieg Antoninus innerhalb des Ordens rasch auf und leitete Niederlassungen in Cortona, Rom, Neapel und Florenz. Dabei war er maßgeblich an Initiativen zur inneren Reform beteiligt.

Darüber hinaus stand Antoninus immer wieder in den Diensten der Kurie, beispielsweis 1431 als General-Auditor der Rota, des höchsten Gerichts der Römischen Kirche. Papstes Eugen IV. bestimmte ihn schließlich 1446 zum Erzbischof seiner Heimatstadt Florenz.

In diesem Amt agierte er politisch und profilierte sich aus unterschiedlichen Anlässen. Dabei schreckte Antoninus nicht vor der Konfrontation mit der Familie der Medici und deren Machtansprüchen zurück, auch wenn er zu ihnen über grundsätzlich gute Kontakte verfügte. Sein soziales Engagement war groß, insbesondere in der Seelsorge und in der Caritas, und entsprach grundsätzlich den Traditionen der Bettelorden, zu denen die Dominikaner gehörten.

Antoninus‘ Einsatz für die Opfer der Pest 1448 sowie des Erdbebens 1453 brachte ihm großes Ansehen ein; er selbst galt als persönlich integer, seine Lebensführung als vorbildlich für eine kirchliche Führungspersönlichkeit, was in dieser Zeit des Umbruchs und der Krise der römischen Kirche keine Selbstverständlichkeit darstellte.

Bereits während seiner Zeit im Dominikanerorden arbeitete Antoninus wissenschaftlich und deckte ein breites Interessenspektrum ab. Eine Fülle an grundlegenden Werken legte er vor, u.a. das Chronicon partibus tribus distincta ab initio mundi ad MCCCLX, eine dreibändige Weltgeschichte bis 1360, eine „Bußsumme“ (Summa confessionalis), die eine breite Rezeption erfuhr, sowie ein moraltheologisches Handbuch, die Summa theologica, die hier vorgestellt wird:

Das Werk wurde erst einige Jahre nach Antoninus‘ Tod 1477 gedruckt. Die vorliegenden Exemplare gehören daher zur ersten Ausgabe, die von wenigen Offizien angeboten wurden. Inhaltlich orientiert sich Antoninus an Positionen des Kirchenlehrers Thomas von Aquin (1225-1274); mit dem Genre der Summe knüpft er an das Format der „Bußsumme“ (Summa confessorum) an, die Sünden und dazugehörige Sündenstrafen listen und insofern der Analyse und Lösung individueller Fragen von Bekenntnis und Gewissen dienen. In den vier Teilen geht es um die anthropologischen Grundlagen moralischer Erziehung, wobei der Fokus auf die Seele gelegt wird (1); Teil 2 ordnet Sünde unterschiedlichen Kategorien zu; einen eigenen Teil 3 widmet Florentinus der Analyse von Sünde aus der Perspektive der sozialen, religiösen und kirchlichen Standeszugehörigkeit; ein abschließender vierter Teil arbeitet die Kardinaltugenden sowie den Hl. Geist als ultimativen Heilsspender heraus.

Vor dem Hintergrund seiner Epoche erscheint das Werk insofern innovativ, als Florentinus sowohl das individuelle als auch das gesellschaftlich-wirtschaftliche Handeln berücksichtigt. Daher plädiert er für einzelne wirtschaftliche Belangen für ein staatliches Eingreifen, um das allgemeine Wohlergehen zu gewährleisten und darüber hinaus die Armen und Bedürftigen zu unterstützen.

Das Godehard-Kloster verdankt die Bände Heinrich Münden, Kanoniker am Hildesheimer Kreuzstift (1487-1488), der im Konvent als Kornschreiber tätig war. Dieser überließ das – vermutlich ursprünglich vollständige – Werk mit weiteren Büchern dem Konvent als Stiftung. Als Gegenleistung durfte er mit jährlichen Gebetsdiensten zu seinem Seelenheil rechnen.

Um diesen Memorialdienst zu dokumentieren und zu sichern, wurden seine Bücherstiftungen zu seinem Todestag am 6. Januar (um 1480) in den Nekrolog des Godehard-Klosters eingetragen. Sie umfassen neben der „Summe“ des Florentinus einen Bibelkommentar, die – offenbar verlorengegangene – Postilla des Franziskaners Nikolaus von Lyra (1270/75-1349), historische Werke des antiken Philosophen Plutarch (um 45 bis um 125) sowie einen Teil der Summe Thomas‘ von Aquin.

Auch anderen kirchlichen Institutionen der Stadt ließ Heinrich Münden Spenden zukommen, zumeist Geld, so dem Kartäuserkloster, damit dort Arme Getreide und Brot erhielten, oder den Franziskanern zum Bau ihres Klosters und bes. der Bibliothek.

 

Die Einbände der Antoninus-Summe wurden in der Buchwerkstatt des benachbarten Lüchtenhofs angefertigt. Dort lebten und arbeiteten die „Brüder vom Gemeinsamen Leben“, eine Gemeinschaft von Laien, die aus der zeitgenössischen Bewegung der Devotio moderna, („Modernen Spiritualität“) hervorgegangen war.

Ihr Anliegen war es, Religiosität zeitgemäß, eben „modern“ zu leben und dabei die im Spätmittelalter sich vertiefenden Gegensätze von Laien und Geistlichkeit sowie innerhalb des Klerus zwischen Weltgeistlichen und Ordensleuten zu entschärfen. Die Devotio moderna wollte also das grundlegende klösterliche Reformprinzip des „Zurück zu den Wurzeln“ umsetzen und die Urgemeinde wiederbeleben. Dadurch sollte ein Gemeinschaftsleben von Laien ohne Gelübde möglich sein, das am Vorbild Christi ausgerichtet war und das – anders als bei den benediktinischen Orden – die Verankerung in der Welt nicht aufgab.

Die „Gemeinschaft der Brüder vom Gemeinsamen Leben“ hatte sich seit der Mitte des 15. Jh., zum Teil gegen deutliche Widerstände in der Stadtgesellschaft, in Hildesheim etabliert und im Lüchtenhof, den sie vom Domklerus erwerben konnten, eine Bleibe gefunden, um ihren Lebensentwurf zu verwirklichen.

Das Anfertigen von Büchern war Ausdruck ihrer Spiritualität, mit der sie Jesus gleichsam als „Schriftapostel“ folgten. Denn der hohe Rang der Schrift als Richtschnur eines an Christi Vorbild orientierten Lebens war in der Devotio moderna fest verankert.

Zugleich diente die Buchherstellung dem Lebensunterhalt. Der parallel sich verbreitende Buchdruck dürfte den wirtschaftlichen und den konzeptionellen bzw. spirituellen Erfolg des Buchhandwerks der Fraterherren nicht unbedingt förderlich gewesen sein.

Trotzdem behaupteten sich die Brüder noch bis ins 16. Jh., allerdings weniger durch Schreib- denn durch Bindearbeiten, gerade auch für Druckwerke, zumal diese ja grundsätzlich ohne Einbände gehandelt wurden.